Ob 9 für 90 oder 0 für 90 – Maßnahme für ÖPNV-Nutzung ist Chance für die Branche, die Fahrgäste und die Mobilitätswende
Zügige Abstimmung zur Klärung zentraler Punkte notwendig
Als Interessenvertretung der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs begrüßt der Bundesverband SchienenNahverkehr (BSN) die vom Koalitionsausschuss angekündigte Maßnahme 9 Euro/Monat für 90 Tage ÖPNV. „Dies ist eine große Chance für den öffentlichen Nahverkehr in Deutschland sich in einem kurzen Zeitraum zu beweisen. Dafür sind zentrale Punkte noch dringend und zügig zu klären.“, sagt Kai Daubertshäuser, Vizepräsident des BSN. Eine sogar darüberhinausgehende, kostenfreie Variante, wie von der Verkehrsministerkonferenz (VMK) empfohlen, muss ebenso in die Betrachtung aufgenommen werden. Unabhängig davon, zu welcher Variante sich die einzusetzende Bund-Länder-Arbeitsgruppe entscheidet, sind Tarif- und Vertriebsexperten der Branche bereits damit beschäftigt eine einheitliche, deutschlandweite Umsetzung der Varianten zu konzipieren.
Von der Ankündigung des „9 Euro/Monat für 90 Tage-Angebots“ war die gesamte Branche sehr überrascht. Nun gilt es, zeitnah und in enger Abstimmung mit der Politik, die noch offenen Fragen zu klären, damit die Maßnahme erfolgreich und unkompliziert umgesetzt werden kann. Losgelöst von dieser dreimonatigen Aktion sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig, damit der Nahverkehr auf der Schiene die ihm zugedachte Rolle in der Mobilitätswende nachhaltig ausfüllen kann. Kurzfristige Ticketangebote sind gut, aber das Schaffen von tatsächlichen Mobilitätsangeboten auf und zur Schiene muss weiterhin im Mittelpunkt stehen – hierfür ist die ausstehende Erhöhung der Regionalisierungsmittel dringend erforderlich. Dies forderte auch die heutige Sonder-Verkehrsministerkonferenz und wurde von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing bestätigt: Die Regionalisierungsmittel werden unabhängig von dieser Maßnahme behandelt – Gleiches gilt für den Corona-Rettungsschirm 2022.
Es herrscht noch keine Einigkeit zwischen den Empfehlungen der VMK und den Vorstellungen des Koalitionsausschusses sowie unseres Bundesverkehrsministers. Damit die Aktion nicht zu einem „undurchdachten Schnellschuss“ der Politik wird, soll sich eine Arbeitsgruppe mit dem Wie der Umsetzung auseinandersetzen. Der BSN sieht sich hier als ein wichtiger Mitspieler, den der Bund dringend in den weiteren Entwicklungsprozess einbinden muss. Schließlich beförderte der SPNV 2019 noch über 2,78 Mrd. Fahrgäste pro Jahr und soll eine Schlüsselrolle in der Mobilitätswende spielen.
„Die gesamte ÖPNV-Branche wird gemeinsam, mit maximalem Engagement und geschlossen an der geeigneten Umsetzung der Koalitionsbeschlüsse zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger arbeiten.“, führt Kai Daubertshäuser weiter aus. Der BSN fordert für die angekündigte Maßnahme:
- Die Aufgabenträger müssen in die vom Bund zu initiierenden Arbeitsgruppen eingebunden werden.
- Die Erhöhung der Regionalisierungsmittel muss endlich kommen und wie versprochen, gesondert zur Ticketmaßnahme behandelt werden – Gleiches gilt für den Corona-Rettungsschirm.
- Die entstehenden Kostenaufwände und Einnahmeverluste müssen vollständig aufgefangen werden und eine Liquidität der Unternehmen auch schon zu Beginn der Maßnahme gesichert werden.
- Die Aktion 9/90 oder 0/90 muss kundenfreundlich und auch administrativ umsetzbar für Verkehrsverbünde und Aufgabenträger gestaltet werden.
Darüber hinaus weist der BSN darauf hin, dass
- die seitens der Länder eingebrachte Variante „0 für 90“ mit weniger administrativen Aufwänden verbunden wäre und einen höheren Wirkungsgrad hätte – bei eher geringen Mehrkosten im Vergleich zur „9 für 90“-Variante,
- etwaige ad-hoc benötigte Erhöhungen von Fahrzeug-/Personalressourcen sowie dispositive Anpassungen vielfach nicht möglich sein werden und finanziert werden müssen,
- die aktuellen Corona-Inzidenzen weiterhin eine Herausforderung darstellen und
- die gestiegenen Energiepreise auch über die drei Monate hinaus ein ernstes Risiko für die ÖPNV-Branche darstellen.
Der BSN sieht die Initiative der Bundesregierung insgesamt als Chance an und hofft, so auch wieder viele Fahrgäste zurückgewinnen zu können, die aufgrund der Pandemie zwischenzeitlich andere Verkehrsmittel genutzt haben. Wenn durch die geplante Maßnahme dauerhaft und nicht nur kurzfristig höhere Fahrgastzahlen erzielt werden können, erhält die Mobilitätswende neuen Schwung. Davon profitieren sowohl die Fahrgäste als auch der Klimaschutz.
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