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24. September 2014

Nahverkehr auf der Schiene gefährdet

Revision der Regionalisierungsmittel ist jetzt notwendig – Länder benötigen 8,5 Milliarden Euro pro Jahr für den Bahnverkehr

Seit nunmehr sieben Jahren ist dem Bund der Gesetzesauftrag bekannt, dass die Höhe der Regionalisierungsmittel ab 2015 neu festzusetzen ist.

Gegenwärtig sieht es jedoch nicht danach aus, dass der Bund dieser Verpflichtung fristgerecht nachkommen wird. Dadurch wird der Nahverkehr auf der Schiene gefährdet.

Die BAG-SPNV hat bereits im Juni 2014 den aus Ihrer Sicht notwendigen Mittelbedarf ab 2015 in Höhe von 8,5 Mrd. € benannt. Dieser Wert wurde vom Gutachten der Länder bestätigt, wie die Länder auf Ihrer Pressekonferenz im Beisein des Bundesverkehrsministers im Anschluss an die Sonder-VMK am 11.07.2014 mitteilten. Ebenso haben die Länder ermittelt, dass die Dynamisierung mindestens 2,8% p.a. betragen müsste, um einen langfristig gesicherten Schienenpersonennahverkehr (SPNV) mindestens auf heutigem Niveau aufrechterhalten zu können.

Die Ergebnisse des Bundesgutachtens zum Mittelbedarf wurden dagegen bislang der Öffentlichkeit vorenthalten, so dass jegliche fachliche Diskussion ausgeschlossen war. Nun mehren sich zudem die Signale, dass der Bund gar nicht mehr beabsichtigt, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, die Höhe der Regionalisierungsmittel ab 2015 fristgerecht neu festzusetzen.

Im Gegenteil ist sogar zu befürchten, dass der Bund die Mittel nach dem bisherigen Regionalisierungsgesetz in die 2015 beginnenden Verhandlungen zum neuen Bund-Länder-Finanzausgleich einbringen möchte. In diesem Fall könnte am Ende noch die Zweckbindung für den öffentlichen Personennahverkehr entfallen.

Die im Grundgesetz verankerte Verantwortung der Länder für den öffentlichen Personennahverkehr darf aber nach Auffassung der BAG-SPNV nicht ausgehöhlt werden. Die dort enthaltene Zweckbindung der Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr muss erhalten bleiben.

„Der Bund soll seinem Auftrag nachkommen und die Regionalisierungsmittel noch in diesem Jahr für die Folgejahre ab 2015 auf der Grundlage des Ländergutachtens festlegen“, fordert Dr. Thomas Geyer, Präsident der BAG-SPNV. „Eine Verquickung mit dem Bund-Länder-Finanzausgleich wäre nicht sachgerecht und eine Gefahr für den Bestand der heutigen Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr“, so Geyer weiter.

Hintergrund

Im Grundgesetz ist geregelt, dass den Ländern Geld aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht, damit diese den öffentlichen Personennahverkehr organisieren und finanzieren können. Die von den Ländern mit der Umsetzung beauftragten 27 Bestellorganisationen in Deutschland bestellen mit diesen Regionalisierungsmitteln insbesondere ca. 640 Mio. Zugkilometer im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und finanzieren zudem teilweise Infrastrukturprojekte im Schienenverkehr sowie Schienenfahrzeuge.

Heutige Mittel reichen nicht aus

Die genaue Höhe der für diese Aufgaben zur Verfügung stehenden Gelder wird im Regionalisierungsgesetz (RegG) festgelegt. Seit 2008 steigen diese Mittel jährlich um 1,5% und belaufen sich im Jahr 2014 auf 7,3 Mrd. €. In §5 Abs. 5 RegG ist aber auch fixiert, dass die den Ländern ab 2015 zustehenden Mittel in Ihrer Höhe neu festzusetzen sind.

Wenn der Bund nicht rechtzeitig handelt, bringt er die 27 Bestellorganisationen in Deutschland in erhebliche Bedrängnis. Bereits in den letzten Jahren stiegen insbesondere die Kosten für die „Schienen-Maut“, das sind die Entgelte für die Nutzung von Schienen und Stationen, weit über die allgemeine Fortschreibung von 1,5%. Dies führte dazu, dass von den verfügbaren Mitteln immer weniger in die eigentliche Bestellung von Verkehren fließen konnte. Bereits in Kürze ist abzusehen, dass ohne eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel noch nicht einmal die bereits heute bestellten Verkehre bezahlt werden können – von teilweise dringend notwendigen Zusatzbestellungen ganz zu schweigen.

Lange Laufzeit des neuen Gesetzes ist notwendig

Im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe eines Verkehrsvertrags werden erhebliche Investitionen ausgelöst, die bei größeren Vergaben schnell mehrere hundert Millionen Euro betragen. Um überhaupt Eisenbahnverkehrsunternehmen im Wettbewerb zu finden, die solche Investitionen auf sich nehmen, sind oft Verträge mit einer Laufzeit von mehr als 15 Jahren notwendig. Um sich auf eine solch lange Zeit binden zu können, benötigen die Bestellorganisationen ihrerseits eine langfristige Sicherheit über die Re-Finanzierung mit Regionalisierungsmitteln.

Zur Absicherung der lang laufenden Verträge ist daher eine Laufzeit des neuen Gesetzes bis 2030 notwendig.

Keine Vermischung mit sachfremden Themen – Zweckbindung erhalten

Sollte der Bund tatsächlich die Festlegung der neuen Regionalisierungsmittel im Rahmen des Bund-Länder-Finanzausgleichs vornehmen wollen, würde sich die Festsetzung mindestens bis 2016 hinziehen. Hieraus entstehen zwei neue Probleme: Einerseits ist im Fall der Verschiebung derzeit völlig unklar, ob der Bund gedenkt, die Mittel von 2014 mit oder ohne Fortschreibung auch im Jahr 2015 den Ländern zur Verfügung zu stellen. Da die Mittel nachweislich bereits für 2014 nicht gereicht haben, würde sich die Situation für die Bestellorganisationen weiter verschärfen. Zum anderen wäre zu befürchten, dass bei der Vermischung mit anderen Themen der klare Auftrag des Grundgesetzes, den öffentlichen Personennahverkehr als Daseinsvorsorge zu finanzieren, ausgehebelt würde.

Die dort enthaltene Zweckbindung der Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr muss daher erhalten bleiben.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV) ist die Interessensvertretung der Bestellerorganisationen des Schienenpersonennahverkehrs:  Wir organisieren den Informationsaus­tausch zwischen unseren Mitgliedern, erarbeiten Konzepte für die Weiterentwicklung des SPNV, vertreten die Inte­ressen der Aufgabenträger des SPNV gegenüber Politik, Öffentlichkeit, Verkehrsunternehmen und Verbänden und beraten den Bund, die Länder, Zweckverbände, Parlamente und Behörden zu allen Fragen des SPNV.