Geballte Expertise beim Treff.SchienenNah: Über 400 Fachleute im Dialog
BSN-Fachkongress mit neuem Namen und Besucherrekord
Akute Branchenthemen gemeinsam voranbringen
In seiner Eröffnungsrede stellte Thomas Prechtl, der Präsident des Bundesverbands SchienenNahverkehr (BSN), fest: „Klimaschutz können wir nicht mit weiter ausuferndem Individualverkehr erreichen – eine Antriebswende ist nicht genug, wir brauchen einen Systemwechsel im Verkehr, bei dem der Mensch und seine Umwelt wieder im Fokus steht“. Ziel der heutigen Veranstaltung sei es, zu zeigen, dass die Branche des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) als Teil der Lösung bereits konstruktiv an der Umsetzung der Verkehrswende arbeite. Um diese zu erreichen, müsse alles darangesetzt werden, immer mehr Fahrgäste sicher, bequem und pünktlich an ihr Ziel zu befördern.
Die Herausforderungen auf dem Weg dahin sind vielfältig: Deutschlandticket, Hochleistungskorridore und Kostenexplosion – diese Themen bewegen die Bahnbranche wie nie zuvor. In den Vorträgen und Diskussionspanels wurden beim Treff.SchienenNah in Fulda Lösungsansätze hierfür ausgelotet. Dieser große Branchentreff des SPNV mit mehr als 420 Teilnehmenden wurde bereits zum 22. Mal vom BSN durchgeführt, erstmalig unter neuem Namen.
Prof. Dr. Christian Grotemeier stellte in seinem Impulsvortrag mit Vergleichen aus anderen Branchen vor, was der SPNV von diesen lernen könnte. Dabei zeigte er auf, dass u. a. mit agiler Vorgehensweise und einer Fokussierung auf die Beschreibung der Ziele anstelle der einzelnen Verfahrensschritte mehr Dynamik in das System Schiene gebracht werden könnte.
Deutschlandticket und Vertrieb der Zukunft
Das Deutschlandticket kann den Einstieg in die Tarifwende bieten. Doch wo und wie knüpft man am besten an, damit dieser Wunsch Wirklichkeit werden kann? Johann von Aweyden, der Geschäftsführer von der Deutschlandtarifverbund GmbH, präsentierte in seinem Vortrag einen „10-Punkte-Plan“, damit die Einführung des Deutschlandtickets die Tarifwende einläuten kann.
Neben dem Deutschlandticket wird es auch künftig weiterhin diverse Tarifangebote geben. Wie sollten diese vertrieben werden? Mit einer repräsentativen Umfrage wurden die Erwartungen von heutigen Fahrgästen und solchen, die das System nicht nutzen, abgefragt. Das überraschende Ergebnis: Digitale Fahrscheine würden bereits heute von rund zwei Dritteln der Befragten als ausschließliche Fahrtberechtigung akzeptiert – und die Unterschiede zwischen den Altersgruppen seien hierbei relativ gering. Um die Akzeptanz digitaler Fahrscheine weiter zu erhöhen, müssten bestehende Ängste, u. a. bei der Fahrscheinkontrolle – z. B. wegen eines leeren Handyakkus – die gültige Fahrtberechtigung nicht nachweisen zu können, abgebaut werden.
Bau der Hochleistungskorridore – Bleibt etwas auf der Strecke?
Eine substanzielle Ertüchtigung und vor allem eine deutlich höhere Leistungsfähigkeit der Bestandsstrecken sind unabdingbar, um nennenswerte Fahrgastzuwächse erzielen zu können. Der zweite Themenfokus des Treff.SchienenNah lag daher auf den angekündigten Hochleistungskorridoren. Dieser neue Ansatz des Baustellenmanagements wird vom BSN grundsätzlich begrüßt, wenn im Anschluss eine deutliche Qualitäts- und Kapazitätsverbesserung erzielt wird.
Aus wissenschaftlicher Sicht hat Dirk Bräuer, vom Institut für Regional- und Fernverkehrsplanung, die Grundlagen von Leistung auf der Schiene dargelegt. Dr. Philipp Nagl, der Vorstandsvorsitzende von DB Netz, erläuterte anhand des aktuellen Beispiels Riedbahn, dass die neuen Hochleistungskorridore kein „Marketing-Sprech“ seien, sondern einen echten Aufbruch bedeuteten. In seinem Vortrag betonte er, dass die schwierigen Bauphasen zwar kurzfristig massive Einschränkungen brächten, jedoch anschließend für die Fahrgäste – durch die lange Baufreiheit und die höhere Zuverlässigkeit im System – eine deutliche Verbesserung des Kundenerlebnisses ermögliche. Mathias Korda, der Geschäftsführer vom Verkehrsverbund Mittelsachsen, beschrieb anschaulich wie man regional eine leistungsfähige Infrastruktur aufbauen kann und favorisierte regionale Lösungen für regionale Strecken.
Wettbewerb im SPNV – trotz Kostenexplosion?
Neben einer zuverlässigen Infrastruktur ist auch ein funktionierender Wettbewerb im Nahverkehr auf der Schiene erforderlich, damit ein umfangreiches Angebot – mit hoher Qualität zu Marktpreisen – vorgehalten werden kann. Ob dies aufgrund der derzeitigen Herausforderungen, wie den stark gestiegenen Energie- und Materialkosten oder der Knappheit an Personal und Material, derzeit überhaupt noch möglich ist, wurde im dritten Themenschwerpunkt behandelt.
Evelyn Palla, die Vorstandsvorsitzende der DB Regio, betonte, dass Wettbewerb zu einer hohen Qualität des Angebots maßgeblich beiträgt. Sie appellierte an die Branche, gemeinsam nachhaltige Lösungen zu finden, um die Auskömmlichkeit der Verträge zu sichern. Dazu müssten die Verkehrsunternehmen von unkalkulierbaren Risiken entlastet werden. Jost Knebel, der Vorsitzende der Geschäftsführung NETINERA Deutschland führte für die Wettbewerbsbahnen aus, dass nach wie vor die Voraussetzung für eine mögliche Angebotsabgabe eine Ausgewogenheit zwischen Chancen und Risiken bleibe. Bei sehr hohen Risiken werde der Preis entsprechend hoch oder man könne an Ausschreibungen nicht teilnehmen. Er forderte die Aufgabenträger auf, hier auch künftig die Voraussetzungen für ein attraktives Wettbewerbsumfeld zu schaffen. In der anschließenden Podiumsrunde machte Volker Heepen, Geschäftsführer der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg, deutlich, dass die Aufgabenträger nicht in der Lage seien, alle Risiken zu übernehmen. Ziel müsse nun sein, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Chancen und Risiken herbeizuführen, um den Wettbewerb zu erhalten und gleichzeitig auch wirtschaftliche Angebote vorgelegt zu bekommen.
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